Zusammenfassung der Podiumsdiskussion – „Sustainable Electronics“ im Rahmen des 6. Technologieforum bei Ersa
Bereits Mitte Mai fand bei Europas führendem Ausstatter für Löttechnologie das 6. Technologieforum mit Hausmesse statt. Am Standort der Ersa GmbH in Wertheim am Main trafen sich Vertreter der Elektronikbranche, um sich mit der wirtschaftlichen Lage auseinander zu setzen und die aktuellen Technologie-Trends zu erörtern. Ein Highlight der Veranstaltung war die Podiumsdiskussion zum Thema „Sustainable Electronics“, die ein positives Stimmungsbild hinterließ und mit Zuversicht in die Zukunft blicken lässt.
Unter der Moderation von Christian Rückert, Produktmanager Technologie Ersa GmbH, waren Vertreter von Partnerunternehmen und aus dem Hause Ersa eingeladen, ihren Blick auf eine nachhaltigere Elektronikproduktion darzulegen – es gab viel zu lernen! Die Teilnehmer der Diskussionsrunde waren Christian Ortmann (kolb Cleaning Technology GmbH), Anton Shmatko (MTM Ruhrzinn), Maximilian Meindl (Atlas Copco) und Jörg Nolte (Ersa GmbH).
Bereits nach dem Eingangsstatement jedes Teilnehmers zum Themengebiet wurde klar, dass nachhaltige Elektronikproduktion sehr viele Aspekte hat und nur eine Summe von Einzelmaßnahmen am Ende zur nachhaltigeren Produktion führen kann. Diese wiederum erlaubt es den europäischen Marktteilnehmern der Elektronikproduktion, sich international einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Effiziente Reinigungsmethoden von kolb gewährleisten hohe Verfügbarkeiten der Endprodukte. Das Recycling von Metallen ist ein immer wichtigerer Aspekt für die Rückgewinnung hochwertiger Rohstoffe im Sinne der Circular Economy, vorangetrieben von MTM Ruhrzinn. Der Einsatz von lokal erzeugtem Stickstoff als Schutzgas mit Hilfe von Systemen von Atlas Copco sorgt für eine höhere Prozesssicherheit beim Herstellungsprozess. Schließlich helfen Ersa Rework-Systeme, Wertschöpfung zu erhalten und die Lebensdauer von Elektronikprodukten zu erhöhen, indem Rework und Reparatur sowie Hardware-Upgrades möglich werden. Ein kurzer Ausblick machte klar: Neue, nachhaltigere Basismaterialien als Ersatz für das Standard- Leiterplatten Material FR4 sind noch in der Entwicklung. Nachwachsende, biobasierte Reinigungsmedien zeigen noch keine hinreichende Reinigungsleistung und auch Lotpasten mit signifikant niedrigeren Schmelzpunkten beweisen gerade erst ihre Zuverlässigkeit im Vergleich zu eingeführten SAC-Loten. Auch die Reduktion des Materialeinsatzes, wie ihn etwa Würth mit dem selektiven Auftrag von Lötstopplack zeigt, ist noch nicht weit verbreitet.
Die weitere Diskussion zeigte aber, dass bereits heute ein deutlicher Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit bei der Herstellung von Baugruppen möglich ist. Konkret führte Christian Ortmann aus, dass bei kolb optimale Reinigung bei minimalem Ressourcenverbrauch im Fokus steht. Der Hebel für Nachhaltigkeit liegt dabei unter anderem in Niedrigtemperatur-Reinigern und der Prozessteuerung, um Energie, Wasser und Chemie in den Anlagen einzusparen. Beim Wasserverbrauch kann beispielsweise die Vakuumdestillation den Frischwasserbedarf um bis zu 95% senken. Christian Ortmann erklärte anhand eines anschaulichen Beispiels das Prinzip der Kaskadenspülung, die auch bei Reinigungsanlagen eingesetzt wird. Hierbei wird das erste Spülbecken stets stark verschmutzt, das letzte bleibt aber über einen längeren Zeitraum hinweg quasi stets sauber. Weiterhin sind bei der Wartungs- und Schablonenreinigung bereits komplett wasserfreie Verfahren etabliert. Gründliche Reinigung ist zudem deswegen nachhaltig, weil sie dazu beiträgt, dass Endprodukte länger halten, reparabel bleiben und ihre volle Leistung dauerhaft erbringen.
Anton Shmatko von MTM Ruhrzinn griff das Thema Material- und Energieeinsatz auf. Für die Wiederaufbereitung von Lotabfällen spricht nicht nur der ökonomische und der rechtliche Aspekt, sondern auch die Energieeinsparung bei der Herstellung neuer Lote. Metalle wie Zinn, Kupfer und Edelmetalle lassen sich praktisch endlos wiederverwenden. Zwar ist die sortenreine Trennung mit Aufwand verbunden, doch legierungsreine Aufbereitung und „kurze“ Materialkreisläufe verringern den CO2-Ausstoß erheblich. Auch die Abhängigkeit von Rohstoffimporten wird verringert und europäische Lieferketten gestärkt. Anton Shmatko betonte, wie wichtig es sei, die nachhaltige Produktion von unterschiedlichen Seiten anzugehen, sodass jeder einzelne Schritt zur Gesamtleistung der Branche beiträgt.
Welchen Beitrag die Schutzgas-Verwendung (Stickstoff) leisten kann, zeigte Maximilian Meindl von Atlas Copco: Wieder ist es der Einsatz von Energie, der eine tragende Rolle spielt. N2-Erzeugung am „point of use“ ist nach seiner Einschätzung der beste Ansatz, weil teure und CO2-intensive Transporte entfallen. Ein zweiter Ansatz richtet sich an die Produktionsverantwortlichen: „Ist in allen Anwendungen die höchste Reinheit des Stickstoffs erforderlich, um einen Prozess zuverlässig zu steuern?“ lautete eine Frage. Seine Antwort: Bei einigen Prozessen lassen sich mit geringeren Reinheiten bis zu 50% Energieeinsatz sparen. Und noch ein Schlagwort brachte Meindl in diesem Zusammenhang: „Power to gas“, also N2-Produktion auf Vorrat, wenn überschüssige regenerative Energie zur Verfügung steht.
Am Ende der Herstellkette von elektronischen Baugruppen oder während der Betriebszeit stehen Nacharbeit und Reparatur – Themenfelder, die sich in den letzten Jahren rasant entwickelt haben, auch weil die Wertverluste von entsorgten Baugruppen aus der Elektroproduktion betriebswirtschaftlich problematisch sind, wie Jörg Nolte von Ersa betonte. Bei einem weltweiten Elektroschrottaufkommen von ca. 60 Mio. Tonnen pro Jahr und einer vergleichsweise kleinen Recyclingquote von nur 25% bildet die Reparatur eine wichtige Säule zur Nachhaltigkeit in der Elektronik. Anschaulich erklärte Nolte, dass es keine Option sei, einen Nahverkehrszug oder eine CNC-Maschine zu entsorgen, nur weil die Steuerelektronik fehlerhaft ist. Gleiches sollte – unterstützt vom „Recht auf Reparatur“ der EU-Kommission – bald auch für Alltagsgegenstände vom Toaster bis zum Notebook wieder gelten! Aber nicht nur beim Rework bietet Ersa Ansätze zu mehr Nachhaltigkeit: Effiziente Selektivlötanlagen bieten für viele Anwendungen beste Lötergebnisse bei optimalem Energieeinsatz. Die neueste Generation von Reflowöfen weist eine sehr gute thermische Isolierung auf, um die Energie im Prozess zu halten und die Abwärme des Ofens kann schon seit Jahren via Wärmetauscher genutzt werden. Zudem wird Ersa den Kunden künftig eine prozessbezogene Energieberatung anbieten und man arbeitet auf vielfältige Weise an der Energieeffizienz von Geräten und Anlagen. So kam der abschließende Aufruf von Hansjürgen Bolg, Bereichsleiter Lötwerkzeuge und Rework Systeme bei Ersa, gut an, in dem er allen Teilnehmern der Veranstaltung wünschte, mutig zu sein, neue Konzepte aufzugreifen und auch beim Recycling aktiv mitzuwirken.